Risse und Kamine in der Sächsischen Schweiz

Ein paar Hintergrundinformationen zu Spielarten des Sächsischen Kletterns
für Nicht-Sachsen, Nicht-Kletterer und Nicht-kletternde-nicht-Sachsen

Als Riß wird eine enge Spalte im Fels bezeichnet, die häufig glatt und grifflos ist. Halt findet man in einem Riß durch Verkeilen des Körpers oder einzelner Gliedmaßen. Die Fortbewegung ist dadurch möglich, daß man abwechselnd den Unterkörper verklemmt und den Oberkörper weiterschiebt und dann den Oberkörper verklemmt und den Unterkörper löst und nachzieht. So "schuppert" man sich wie eine Raupe langsam nach oben.

Je nach Breite muß eine andere Technik angewendet werden. Am schmalsten und schwierigsten sind Fingerrisse in die man die Finger steckt und durch seitliches Verdrehen der Hand verklemmt. Die Füße finden häufig nur mit den Spitzen Halt oder müssen "auf Reibung" an der glatten Wand halten.

Kann die ganze Hand versenkt werden, handelt es sich um einen Handriß. Halt wird dadurch erzeugt, daß der Daumen unter den Handteller geschoben wird und sich dadurch die Fingerknöchel aufstellen. Ist der Druck zwischen Knöchel und Daumenballen groß genug, kann der ganze Körper daran gehalten werden - was aber durch den rauen Sandstein Spuren hinterläßt und oft wehtut. Die Füße werden so hoch wie möglich mit senkrechter Sohle in den Riß geklemmt. Das Knie ist dabei fast waagerecht zum Fuß. Dreht man nun das Bein nach oben, verkeilt sich der Fuß und bleibt im Riß klemmen.

Die nächste Breite sind Faustrisse, in die mit aller Gewalt die Hand in waagerechter Haltung und vorgestreckten Fingern in den Spalt geschoben wird. Im Spalt wird die Hand zu einer Faust geschlossen und dadurch die nötige Spannung erzeugt. Die Fortbewegung ist in Handrissen meißt wechselseitig, d.h. es wird in der Abfolge linke Hand, rechter Fuß, rechte Hand, linker Fuß die Verklemmung gelockert und weiter oben wieder angesetzt.

Leichter und angenehmer zu klettern sind Schulterrisse (Foto). In den engeren Vertretern reicht der Arm bis zum Schulteransatz in den Spalt. Hier wird Handballen und Schulter auf der einen gegen den Ellenbogen auf der anderen Seite verspannt. Das Bein klemmt seitlich zwischen Fußspitze und Knie auf der einen und der Ferse auf der anderen Seite. Der raushängende Körper wird mit freiem Arm und freiem Bein durch Druck an die Wand in Richtung Riß und nach oben gedrückt.

In breite Schulterrisse kann auch die Hüfte versenkt werden, was ein wesentlich sichereres Gefühl gibt. Man klemmt dann mit Hintern und Ferse auf der einen und Knie auf der anderen Riß-seite. An diesem Beispiel läßt sich gut das Wirkungsprinzip des Risses erklären. Die Schwerkraft zieht den Körper nach unten. Bei fester Ferse und eingeknickten Knie wirkt der Schwerkraftdruck gegen die Rißwände, da man auf dem Weg nach unten zwischen Hintern und Knie und Knie und Ferse breiter wird. In dieser Position hängt man praktisch ohne Kraftaufwand im Fels.


Ein Stück Schulterriß im AW des Dreifingerturms
Der Vorteil eines Risses besteht darin, daß man, einmal darin verklemmt, eigentlich nicht mehr rausfallen kann. Der Nachteil besteht darin, daß die meisten Risse erst dann halten, wenn es weh tut und das Vorwärtskommen langsam und mühsam ist.

Passt der gesamte Körper in einen Spalt, handelt es sich um einen Kamin. Enge Kamine bewältigt man ähnlich wie einen Schulterriß - auf einer Seite werden Rücken und Ferse an der anderen Hände und Knie an den Felsen gepresst.

Am bequemsten und oft auch am einfachsten eingestuft sind Kamine in denen man bequem sitzen kann. Hintern und Rücken sind auf einer Seite. Die Beine gehen wie bei einem Barhocker nach unten und pressen mit Zehen und Fußballen an die Wand. Sind die Arme ausgestreckt, drücken die Hände auf der Fußseite den Oberkörper an den Stein und vergrößern damit die Reibungsfläche. Die Handballen können auch auf der Rückenseite neben den Hintern gedrückt und damit der Körper nach oben gestemmt werden. An Höhe gewinnt man, indem man die gegenüberliegende Wand "hochläuft" (Foto) oder indem man die Füße auf unterschiedlichen Wänden hat und sich wie bei einer Hebebühne hochdrückt.

Scheinbar endlos lange, dunkle Kamine dieser Art nennt der Sachse auch liebevoll Schlotte.

Ein Kamin zum Sitzen
Wird es noch breiter, handelt es sich um einen Spreizkamin. In diesem steht man bequem (Foto) oder weit ausgestreckt. Bei sehr weiten Spreizkaminen ist gutes Balancegefühl gefragt. An Höhe gewinnt man, indem man die Füße wechselseitig höher stellt. Um diese erst einmal von der Wand zu bekommen ist es nötig, mit dem Oberkörper und den Händen auf die betreffende Seite zu wechseln. Dann erzeugen die Hände den Gegendruck und der Fuß kann höher gesetzt werden. Anschließend muß man den Oberkörper wieder vorsichtig auf die andere Wandseite bekommen, um auch dort gegenzupressen und den anderen Fuß höher setzen zu können. Da die Beine eine größere Spannweite als die Arme haben, verliert man bei breiten Wechseln oft mit den Händen den Felskontakt.

Den höchsten Anspruch an Wuchs und Körperspannung stellen Stemmkamine. Hier muß man alles an Länge herausholen was nur geht. Beide Füße sind auf einer und beide Hände auf der anderen Seite. In nahezu waagerechter Haltung liegt man zwischen beiden Felswänden und setzt abwechselnd jeweils ein Bein und eine Hand höher. Stemmkamine fordern alle Muskeln - vor allem den Bauch und die Arme. Sie sind häufig auch eine Ausgangsstellung bei "Unterstützten Überfällen" (ein Foto siehe da). Dann muß man zusätzlich zum eigenen Gewicht noch ein fremdes durch Stemmen halten können.



Spreizkamin an der Zeichengrundspitze
Riß- und Kaminstellen unterschiedlichster Breiten gehen oft ineinander über. Selten klettert man einen Weg in gleicher Technik von unten bis oben. Für die Sächsische Schweiz ist es auch typisch, daß Wand- und Riß/Kamin-Passagen sich abwechseln.
Ungewohnt ist für heutige Kletterer, die meist in den künstlichen Wänden der Kletternhallen groß werden, daß in den klassischen Wegen Tritte und Griffe fehlen. Außerdem gibt es aufgrund der frühen Erschließung meist keine Ringe und oft auch keine anderen Sicherungsmöglichkeiten. Bedenkt man dazu den Umstand, daß diese Klassiker oft nur mit den Schwierigkeitsgraden I bis IV bewertet werden, wird klar, warum das "Kaminschrubben" für viele unattraktiv geworden ist. Es ist nicht ungewöhnlich, daß manche Kletterer auf der Wand einen VIIer Schwierigkeitsgrad im Vorstieg bewältigen aber am Dreifingerturm AW (III) oder der Genießerspalte (IV) am Meurerturm zu kämpfen haben oder gar scheitern.

Risse und Kamine sind in Gebieten mit kleingriffigem Sandstein oft die einzige Möglichkeit, um mit moderaten Schwierigkeitsgrad auf einen Gipfel zu kommen.

Weitere Infos zu Rissen
 
HP von Jörg Brutscher
Techniken | Rißliste
Club RißAnstiegsFreunde
Lehrgang | Rißliste
 
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